Wissen2020-09-07T18:42:40+02:00
Sookti Manjari - Ahimsa

Sookti Manjari - Ahimsa

Ahimsa = Nicht-Gewalt

Ahimsa paramo dharmah (Nicht-Gewalt ist das letztendliche Gesetz) ist eine sehr populäre Aussage. Normalerweise verstehen die Leute darunter Handlungen wie Krieg, Töten von Tieren, Jagen etc. Seltsamerweise wenden sie es nicht auf sich selbst in ihrem täglichen Leben an.

Sicher, Töten ist ein gewaltsamer Akt. Gewalt braucht aber nicht immer in der Form von Töten aufzutreten. Auch das Zufügen kleinerer Verletzungen ist Gewalt. Verletzen auf irgendeine Art ist Gewalt.

Ist nicht das Quälen deines Untergebenen im Büro mit einer Arbeitslast jenseits seiner Fähigkeiten ein ungerechter und deshalb gewaltsamer Akt? Ist nicht das Zurechtweisen deiner Frau ohne Sinn und Verstand ein Akt der Gewalt? Ist nicht das Betrügen der gesetzlichen Erben beim Teilen des Erbes deines verstorbenen Vaters eine unfaire und deshalb verwerfliche Haltung? Wir treffen solche Fragen in unserem eigenen wie auch im Leben unserer Verwandten und Freunde an.

Wenn solche Dinge in unserem Leben vorkommen, sehen wir nicht eine Spur von Zweifel. Wir glauben, dass unsere Handlungen nicht unter die Definition von Gewalt fallen. Warum?

Wir nehmen ganz einfach an, dass wir viele Dinge sicher wissen, streben blindlings vorwärts. Das ist tatsächlich die Ursache vieler emotionaler Konflikte im Leben. Zum Beispiel nimmt jeder von uns mit Sicherheit an, dass wir die Bedeutung von „Ich“ kennen. Tatsächlich entgeht die wahre Bedeutung von „Ich“ sogar Gelehrten. Wenn seine wahre Bedeutung wirklich realisiert ist, heisst das, dass diese Person ihr letztendliches Ziel im Leben erreicht hat. Es gibt viele solche allgemein gebrauchte Worte, von denen wir die korrekte Bedeutung nicht kennen. Himsa (Gewalt) ist auch ein solches Wort, dessen Bedeutung von den meisten unter uns unzureichend verstanden wird.

Wir denken, dass das Wort Himsa (verletzen) töten bedeutet. Diese Bedeutung scheint den meisten von uns richtig.
Lasst uns ein Beispiel betrachten. Jemand beginnt, dich zu loben. Er wird dich in einem solchen Masse loben, dass du hingerissen wirst und beginnst, all dein Eigentum zu verschenken. Nachdem du wieder auf den Boden der Wirklichkeit gekommen bist und die Euphorie, welche durch das Lob verursacht wurde, überwunden hast, wirst du fühlen, dass dich diese Person betrogen und ruiniert hat. Jetzt fühlst du, dass du tatsächlich durch diese Person geschädigt worden bist, obwohl sie dich nur gelobt hat.
Lasst uns ein anderes Beispiel betrachten. Eine Person mit einer nicht-heilenden Wunde am Bein geht zu einem Arzt. Der Arzt entscheidet, dass die Wunde nicht geheilt werden kann, und dass ein Teil des Beins entfernt werden muss, um das Bein zu retten. Der Chirurg entfernt den verbrandeten Teil. Wenn jetzt der Patient schreit, der Arzt habe ihm Himsa angetan (ihm Leid zugefügt), stimmen wir mit ihm überein? Nein.
Aufgrund dieser zwei Beispiele lasst uns versuchen den wirklichen Sinn von Himsa (Schaden, Leid, Unrecht) zu verstehen. Wenn wir verstehen, das Himsa (Gewalt) bedeutet, können wir auch erfassen, was Ahimsa (Nicht-Gewalt) bedeutet. Wir werden dann in der Lage sein, die Vorteile der Beachtung von Nicht-Gewalt zu ernten. Indem ihr das im Gedächtnis behaltet, beachtet das folgende Sookti:

Dvesha eva hi himsaa syaat
Premaivaahimsanam matam
Prayoktushcha prayuktasayas
Vubhe dattah samam phalam
Hass ist Gewalt, Liebe ist Nicht-Gewalt - sagt dieses Sookti. Es bedeutet, dass wenn das Gefühl von Hass in irgendeiner Form - Worte, Taten, oder Gedanken - im Herzen ist, dann kommt das auf Gewalt hinaus.
Da war ein geheimer Beschluss in Shakuni’s Geist, Duryodhana zu zerstören. Er gewann zuerst Duryodhana’s Freundschaft und Vertrauen. Er pflegte Duryodhana für alles zu loben und er unterstützte ihn, wenn er sich schlechten Taten hingab. Shakuni’s Idee war es, dass er damit Duryodhana mit Ego aufblasen könne, dieser Feindschaft mit den Pandavas und Lord Krishna entwickele, was schliesslich den Letzteren zum Untergang verzaubern würde. Ist diese Haltung Gewalt? Oder Nicht-Gewalt? Das oben zitierte Sookti lässt uns in keinem Zweifel über das Urteil. Obwohl Shakuni’s Worte süss wie Honig waren und obwohl er Duryodhana körperlich keine Gewalt antat, war das, was er tat, nichts anderes als Gewalt. Die meisten Leute geben sich solchen Gedanken hin, wenn auch in einer solchen Grössenordnung, wie es Shakuni tat. Bei diesen Gelegenheiten rechtfertigen wir uns mit dem Ausspruch, dass es nur ein diplomatisches Vorgehen sei und eine Strategie, um das zu erreichen, was wir wünschen. Wir müssen realisieren, dass dieses Sookti gedacht ist, um in unseren Herzen zu diesen Zeiten die Warnglocke läuten zu lassen.

Manchmal drückt sich Hass nicht einmal in Form von Rede aus. Er nimmt die Form emotionaler Schwingungen an. Du wirst z.b. eifersüchtig und ärgerlich, dass einer deiner Kollegen befördert wurde. Du kannst dein Missfallen gegenüber deinem Kollegen oder der Person, die ihn befördert hat, nicht offen ausdrücken (durch Worte). Was tust du? Du wünschst ihnen heimlich Böses. Du magst Gedanken nachhängen wie „ es wäre nett, wenn sie irgendwelche Schwierigkeiten bekämen“. Wenn dieses Gefühl intensiv ist und dein Geist auch kräftig, kann diese emotionale Flut dieser Person schaden. So wirkt Fluch. Ist das nicht Gewalt? Selbst wenn dein Fühlen nicht so drohende Ausmasse wie ein Fluch annimmt, bedeutet es doch Gewalt aufgrund seiner bösen Natur. Dieses Konzept, das in diesem Sookti enthalten ist, ist von grösster Bedeutung für jene, welche auf dem Weg des spirituellen Yoga-Trainings sind.

Der folgende Vers wird täglich im Ashram am Ende der Gebete gesungen:

Sarve cha sukhinah santu, sarve santu niraamayaah
Sarve bhadrani pashyantu, maa kashchit suhkhabhaak bhavet

„ Mögen alle von uns glücklich leben. Mögen wir alle gesund sein. Möge Glück über uns alle regnen. Möge nicht ein einziges Wesen unglücklich sein“. Das ist die Bedeutung dieses Gebets. Es ist ein emotionales Gebet und mentaler Gewalt direkt entgegengesetzt. Mit anderen Worten: es entstammt einem Herzen, das frei von Hass und gefüllt mit Liebe ist. Gewalt, welche ihre Wurzel in Hass hat, trägt die Frucht genannt Sünde. Dagegen trägt Nicht-Gewalt, welche aus der Liebe kommt, die Frucht, genannt Verdienst.
Weil Grosse Menschen „Sarve cha sukhinah santu...“ am Ende aller Rituale beten, können wir schliessen, dass es eine grossmütige Haltung ist. Es braucht nicht gesagt zu werden, dass böse Gedanken, welche dem Hass entspringen, gleichermassen abscheulich und sündig sind. Die zweite Linie des obigen Sookti (Perm eva ahimsanam matam) widerspiegelt das gleiche Konzept.

Keine der folgenden Handlungen kann als Gewalt bezeichnet werden (obwohl in jedem Fall Zwang ausgeübt wird), weil die Absicht hinter diesen Handlungen gut ist:
Der Vater, der seinen Sohn schilt wegen der Vernachlässigung seiner Studien; die Polizei, die mit Kriminellen gnadenlos ist, um die Gesellschaft zu schützen; der Arzt, der seinem Patienten ein striktes Diätregime verschreibt, damit er sich rasch erholt; der Ehemann, der seiner Frau strikte Regeln aufzwingt, um Disziplin sicherzustellen.

Wir haben gesehen, dass kenntnisreiche Personen bestätigt haben, dass Ahimsa der Vorläufer von Verdienst ist. Indem wir dieses Konzept ausdehnen, können wir ableiten, dass Hass, in welcher Form er sich auch ausdrückt, in der Anhäufung von Sünde endet. Wenn du mental und physisch schwach bist, ist es möglich, dass du einer anderen Person nicht viel Schaden zufügen kannst. Aber macht das deine Haltung weniger sündig?. Die Sünde, die du so aufhäufst, wird bezahlt werden müssen, hier oder im künftigen Leben. Ähnlich wird das Verdienst, das du durch die Verwirklichung von Nicht-Gewalt erwirbst, seine Früchte tragen, an denen du dich erfreuen kannst, hier oder im künftigen Leben.

Im obigen Sookti wird gesagt, dass die Frucht der Handlung- gut oder schlecht -beide gleichermassen beeinflusst, den Täter und denjenigen, der sich daran erfreut, oder denjenigen, der darunter leidet, je nach Fall.

(Prayoktuscha - prayuktasya - api - ubheh dattah samam phalam).

Wenn du jemandem aus Hass schadest, wird er unmittelbar leiden. Du wirst dafür später bezahlen. Wenn du jemandem aus Liebe Gutes tust, wird er sich augenblicklich daran erfreuen. Du wirst den Vorteil später erhalten.

Hier bedeutet samam phalam (gleiche Früchte), dass du leiden wirst, wenn du andere leiden machst, und dass du dich erfreuen wirst, wenn du andere sich erfreuen lässt. Es bedeutet nicht, dass der Effekt für beide Personen gleich intensiv ist. Du kannst nicht denken - „wenn die Nachwirkung meiner Handlung nur so viel ist wie meine jetzige Handlung, würde ich ihm eher jetzt Schaden zufügen“. Wegen des Stresses, den du jetzt verursachst, wirst du später Gewissensbisse haben.

Die Saat, die du jetzt gesät hast, wird einige Zeit zum aufgehen brauchen, zu einem grossen Baum wachsen und Früchte tragen. Aber du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Früchte und Samen aus dem Baum kommen werden, für den du den Samen gesät hast. Du wirst sie alle ernten müssen. Du kannst dem nicht entkommen.

Lasst uns deshalb Güte in Gedanken, Worten und Werken praktizieren.

Sri Swamiji




Übersetzt von Egon und Trudi Hürlimann

 

 

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